Eins, zwei, Tango! Artikel von V. Arnold

5. Mai 2019 auf Pronto Pro Blog

www.prontopro.ch/de/blog/eins-zwei-tango/ - Danke für die Veröffentlichung!


Tango ist ein sehr spezieller Tanzstil, der die hundertprozentige Aufmerksamkeit der Tänzer verlangt. Dabei gibt es keine Choreografie, es wird stattdessen improvisiert. Um mehr über Tango zu erfahren, sprachen wir mit Mileva Demenga und Martin Lebrero. Die beiden sind Partner im Leben sowie in geschäftlicher Hinsicht, denn sie leiten gemeinsam eine Tangoschule. Im Interview verraten sie uns mehr über ihre Liebe zu dem Tanz, wie sie dazu gekommen sind und worauf es beim Tango wirklich ankommt.

 

Mit dem Tangounterricht begann das Paar 2012 ganz spontan auf die Anfrage von Freunden und Verwandten hin. Anfangs geschah dies in erster Linie zu ihrer Freude und aus Lust, ihren Schweizer Freunden Einblick in diese faszinierende Welt zu geben. So begannen die Kurse ohne lukrative Ansprüche, dementsprechend konnten die Teilnehmenden nach Lust und Laune kommen. Mit den Jahren professionalisierten die beiden sich, es entstanden feste Tanzgruppen und die Organisation von Tangoveranstaltungen, sogenannten Milongas, kam hinzu. Seit vier Jahren verdient das Paar ausschließlich mit dem Tango seinen Lebensunterhalt.

Heute ist die Tanzschule in der alten Feuerwehr Viktoria beheimatet und auch die Milongas finden mittlerweile in einem sehr großen Saal, dem Mappamondo, statt. Es geht Mileva und Martin vornehmlich darum, einen Raum zu kreieren, in dem Tango ohne Klischees, für ein ganz gemischtes Publikum, in dem sich Jung und Alt wirklich wohlfühlen, getanzt werden kann. Ein weiteres Anliegen ist es, der jungen Generation von Tangomusikern aus Argentinien Auftrittsmöglichkeiten und eine Plattform verschaffen. Milongas mit hochkarätiger Live-Musik zu einem für alle erschwinglichen Eintritt sind zu der „Spezialität“ des Paares geworden.

 

Martin und Mileva, ihr habt euch tanzend auf einer Milonga in Buenos Aires kennengelernt. Durch eure Liebe zum Tango ist die Idee entstanden, den Tanzstil in Bern zu unterrichten. Seit wann tanzt ihr Tango und was bedeutet die Tanzrichtung für euch?

Martin: Ich bin durch „Zufall“ zum Tango gekommen. Mehrmals habe ich eine Einladung eines Freundes, zu einer Tango-Schnupperstunde zu kommen, abgelehnt; ich glaubte, der Tango sei was für ältere Leute, ein Relikt aus der Vergangenheit. Als ich schließlich doch einwilligte, den Freund zu begleiten, übte ich die ersten Tangoschritte zu Hause bis spät in die Nacht weiter: Die Beine meiner Tanzpartnerin waren zwei Besen. Das ist jetzt über 15 Jahre her – einmal ausprobiert und nie mehr davon losgekommen. Das ist der berühmte Tango-Virus. Tangotanzen ist therapeutisch, in ganz verschiedenen Aspekten. Vor allem aber im Sozialen. Wo immer es eine Milonga gibt, auf der ganzen Welt, fühlt sich der Tangotänzer, die Tangotänzerin sofort „zuhause“.

Mileva: Mir ging es ganz ähnlich. Nach den ersten Stunden, die ich 2005 im Unisport in Basel genommen habe, spürte ich schon etwas von dem Geheimnis dieses Tanzes, das mich nie mehr losließ. Tango wird immer feiner und tiefer, je länger man ihn tanzt, man hat nie ausgelernt. Es ist körperlich ein sehr anspruchsvoller Tanz, verlangt viel Technik, Achse, Gleichgewicht, aber auch hundertprozentige Aufmerksamkeit. Und diese starke Konzentration muss eben nicht im Kopf, sondern im ganzen Körper sein, sonst ist man immer zu langsam und hinkt der Improvisation, den Impulsen des Partners, nach. Wer im Tango denkt, wird den „Flow“ nie erleben. Dieser Flow macht süchtig, du willst immer mehr. Für mich ist Tango wie Meditieren, einfach da sein, in jeder Zelle lebendig und präsent und dies in Einheit mit einem Partner, ist ein einzigartiges Gefühl.

 

Durch welche Eigenschaften und Tanzschritte unterscheidet sich die Tanzrichtung Tango von anderen Tanzstilen? Was steht im Tangounterricht an erster Stelle? Gibt es Einsteigerkurse? Was sollte man im Bezug auf die Körperhaltung im Tango unbedingt beachten?

Es gibt im Tango immer eine führende und eine folgende Person, wobei diese zwei Rollen heutzutage auch nicht mehr ans Geschlecht gebunden sind. Über den abrazo, die Umarmung im Tango, findet eine feine Kommunikation statt. Es gibt schon bestimmte Figuren und Elemente, wie in anderen Tanzrichtungen; doch im Tango speziell ist, dass diese nie automatisch abgespult werden, sondern immer improvisiert sind. Es gibt keine Choreografie im Tango.

In unseren Einsteigerkursen beginnen wir mit dem Erlernen einer Körperhaltung und Gehtechnik, welche dann in der Umarmung zusammen mit dem Partner die Kommunikation ermöglichen. Erst danach kommen Tanzfiguren und dynamischere Schritte. Die eigene Achse, das Gleichgewicht, ist sehr wichtig, damit eine als Kommunikationskanal funktionierende Umarmung zustande kommen kann.

 

Benötigt man eine spezielle Ausrüstung, um Tango zu tanzen? Welches Schuhwerk empfiehlst du Frauen, die zum ersten Mal an einer Stunde teilnehmen? Gibt es spezielle Utensilien, durch die du Anfängern die Tanzschritte im Tango näher bringst?

Zum Tangotanzen brauchen Führende und Folgende einzig Schuhe mit glatter Sohle, damit der „pivot“, das Drehen des Fußes auf dem Boden, gut funktioniert. Ansonsten: Hauptsache bequem!

Um ein Gefühl für den konstanten Kontakt des Tanzpaares mit dem Oberkörper zu erhalten, geben wir unseren SchülerInnen oft Luftballons, die sie während des Gehens zwischen sich einklemmen. Fällt der Ballon auf den Boden, hat ein Partner zu wenig Rücksicht auf den anderen genommen und sich „alleine“, statt im Zusammenspiel mit dem anderen, bewegt. Ist der Ballon zu sehr eingequetscht, hat ein Partner die Achse verloren und stützt sich auf dem anderen ab.

 

Tango ist als sehr leidenschaftlicher Tanzstil bekannt. Sollte man aus diesem Grund nach deiner Meinung einen Partner zum Tangounterricht mitbringen, um mit einer bereits vertrauten Person tanzen zu können?

In Europa gibt es immer noch das klischeehafte Bild des Dandy, der eine Cabaret-Tänzerin mit Netzstrümpfen im Tango umarmt – und so wird der Tango in erster Linie mit Leidenschaft und Verlangen assoziiert. Heute tanzen wir Tango im T-Shirt und mit Turnschuhen und die Leidenschaft entsteht im besten Fall im Zusammenspiel der Musik und der Improvisation der Bewegungen, zu der uns die Musik inspiriert.

Natürlich gibt es einen direkten Körperkontakt im Tango und wie bei allen anderen Paartänzen, kann auch hier „das Eine“ gesucht werden. Aber in der Milonga wechseln die Tangueros alle drei oder vier Musikstücke den Tanzpartner, was wir unseren SchülerInnen auch in den Tangokursen nahelegen. Es ist bereichernd, mit verschiedenen Menschen mit ganz unterschiedlicher Energie zu tanzen. So verhindert man auch „Automatismen“, die sich bei einem Paar leicht einschleichen und die wahre Improvisation einschränken. Man muss also nicht Lebenspartner sein, um zusammen Tango zu tanzen.

 

Aus dem Interview mit Mileva und Martin wird klar, dass es im Tango nicht einfach nur darum geht, sich aufs Parkett zu schwingen. Der Tanzstil verlangt Aufmerksamkeit, Gleichgewicht und gegenseitigen Respekt. Vor allem aber wird im Tango viel improvisiert. Auch deshalb ist es von Vorteil, mit vielen verschiedenen Partner zu tanzen.

Wir bedanken uns bei Mileva und Martin für das interessante Interview und die Einblicke in die Welt des Tangos. Wir wünschen den beiden weiterhin viel Erfolg mit ihrer Tanzschule.